Die Anmerkungen zur Wirksamkeit der Arbeit der Fanprojekte bei der Pressekonferenz am
18.10.2024 nach dem Spitzengespräch zwischen IMK/SMK, DFB und DFL haben bundesweit bei
den Trägern und Mitarbeitenden der Fanprojekte Irritation und Verunsicherung ausgelöst.
Die Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj, die auf Basis des Nationalen Konzepts Sport
und Sicherheit (NKSS) die 70 deutschen Fanprojekte berät und die Arbeit im institutionellen
Netzwerk vertritt, nimmt hierzu Stellung.
Die zentralen Punkte:
- Die Wirksamkeit der Arbeit der Fanprojekte ist wissenschaftlich unumstritten und seit 40
Jahren in der Praxis erprobt. - Fanprojektarbeit ist an allen Orten in ein breites Netzwerk aller relevanten Akteur*innen
eingebettet und wird von diesem vertrauensvoll und kritisch begleitet. - Alle Fanprojekte werden seit 2010 im 3-Jahres-Zyklus einem externen
Qualitätssicherungsprozess unterzogen und zertifiziert. - Fanprojekte arbeiten am Puls der Zeit und passen ihre Konzepte laufend den aktuellen
Entwicklungen in Fanszene und Gesellschaft an. - Aktuell kommt ein vom Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) angeschobener
Prozess zum Abschluss, der die konzeptionelle Arbeitsgrundlage der Fanprojekte
aktualisiert. - Fanprojektarbeit braucht das Vertrauen aller Netzwerkpartner*innen. Angesichts aktueller
gesellschaftlicher Herausforderungen (Entsolidarisierung, Rechtsruck unter Jugendlichen,
Wiedererstarken von Gewaltphänomenen, Europaskepsis) ist dies unerlässlich. - DFB und DFL haben im Nachgang der Pressekonferenz ihr uneingeschränktes Vertrauen in
die Arbeit und Wirksamkeit der Fanprojekte ausgesprochen. - Fanprojektarbeit braucht eine stabile Finanzierung, die den gestiegenen Kosten und
Ansprüchen angepasst ist. DFL und DFB haben den Innenpolitiker*innen eine Aufstockung
der Finanzierung angeboten.
Wirkungsvoll seit 40 Jahren
Die Wirksamkeit von professioneller, sozialpädagogischer Fansozialarbeit ist wissenschaftlich
untermauert und in 40 Jahren Praxis bewährt. Durch die wirkungsvolle Arbeit der Fanprojekte
konnten Phänomene wie Hooliganismus (1)
, Rechtsextremismus und Rassismus (2) erheblich
eingedämmt und weitere wichtige Themen der Gewaltprävention, sozialen Integration,
Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion adressiert und gemeinsam mit jugendlichen
Fußballfans bearbeitet werden. Dies erfolgt durch kontinuierliche und professionelle Soziale Arbeit, die in der Bundesgesetzgebung (SGB VIII) und dem Nationalen Konzept Sport und
Sicherheit (NKSS) verankert ist.
Ein unverzichtbarer Bestandteil dieser Arbeit ist das vertrauensvolle Verhältnis zur Zielgruppe
der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den Fanszenen sowie die enge Zusammenarbeit
im Netzwerk, bei der die unterschiedlichen Rollen und Aufgaben klar anerkannt werden.
1 Siehe Stellungnahme der KOS für den Sportausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema
„Sicherheitsfragen“ im Fußball, Februar 2024:
https://www.bundestag.de/resource/blob/990588/4c8270f707f73007bbdef0febbb33657/240221-
KOS.pdf
2 Siehe Stellungnahme der KOS für den Sportausschuss des Deutschen Bundestags zum Thema
„Strategien gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen im Sport“,
September 2022:
https://www.bundestag.de/resource/blob/910702/a1d156e55964c572f86a5798fc2f4580/220921-
KOS.pdf
Im Zentrum des Netzwerks
Zu diesem über Jahrzehnte etablierten und starken Netzwerk gehören die mitfinanzierenden
Kommunen und Bundesländer, die Vereine und deren Dachverbände DFB und DFL, bundesweite
Fanvereinigungen und lokale Fanszenen, Polizeien von Bund und Ländern, die Träger der
Fanprojekte, Bundesministerien wie das BMFSFJ und das BMI, die Fachverbände der Sozialen
(Jugend)-Arbeit, die Deutsche Sportjugend unter dem Dach des DOSB sowie die unabhängige
Wissenschaft.
Dieses Zusammenspiel aller Kräfte hat ermöglicht, dass Fußballspiele in Deutschland nicht nur
sicher sind, sondern auf dieser Basis ein soziales und gesellschaftliches Massenereignis
geworden sind. In der Saison 2022/2023 gab es bei 24 Millionen Zuschauer*innen der 1., 2. und 3. Bundesliga 1.176 Verletzte (0,0052 Prozent, Quelle: Polizei ZIS). Eine aktuelle Fan-Studie zeigt
zudem, dass 96 Prozent der Stadionbesucher*innen sich während des Spieltags sicher fühlen
(Quelle: DFL, 18.10.2024).
Am Puls der Zeit
Das NKSS ist die Grundlage des gemeinsamen zielgerichteten Handelns. Im jährlich tagenden
Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) kommen alle Netzwerkpartner*innen
zusammen. Der NASS hat den KOS-Beirat damit beauftragt, eine Aktualisierung des NKSS
einzuleiten, um auf aktuelle Entwicklungen im Arbeitsfeld der Fanarbeit konzeptionell
angemessen zu reagieren und weiterhin zeitgemäß agieren zu können. Basierend auf
wissenschaftlichen Expertisen wurden Vorschläge für eine konkrete Aktualisierung des
Rahmenkonzepts für die Arbeit der Fanprojekte entwickelt, im KOS-Beirat diskutiert, dort
einstimmig beschlossen und kürzlich an den NASS übermittelt.
Qualitätsmanagement und Transparenz
Die Fanprojekte durchlaufen seit 2010 einen von einem unabhängigen wissenschaftlichen
Institut durchgeführten Qualitätsmanagementprozess, das „Qualitätssiegel Fanprojekt nach
dem NKSS“. Alle drei Jahre stellt sich jedes Fanprojekt dieser Überprüfung, die sowohl die
inhaltliche Arbeit als auch strukturelle Rahmenbedingungen und die Qualität der Netzwerkarbeit
umfasst. Alle Netzwerkpartner*innen – Fanszene, Verein, Kommune, Polizei – sind in diesen
Prozess eingebunden. In der wissenschaftlich geleiteten Arbeitsgruppe Qualitätssicherung
beraten der DFB, die DFL, das BMFSFJ, die AG der Obersten Landes- und Jugendbehörden der
Bundesländer, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte, die Trägervertretung der
Fanprojekte und die KOS basierend auf den Ergebnissen der unabhängigen Datenerhebung über
die Arbeit der Fanprojekte. Der KOS-Beirat vergibt anschließend auf Empfehlung der AG
Qualitätssicherung das Qualitätssiegel auf drei Jahre. Kaum ein Bereich der Sozialen Arbeit unterzieht sich einem so umfassenden und
systematischen Prüfprozess wie die Fanprojekte, was deren Qualität und Professionalität
unterstreicht.
Fanprojekte brauchen Vertrauen
Uns, als Koordinationsstelle Fanprojekte, haben die kritischen Aussagen zur Wirksamkeit der
Fanprojekte im Rahmen der Pressekonferenz nach dem Sicherheitsgipfel überrascht.
Insbesondere, da gleichzeitig die Stadionallianzen, in denen die Fanprojekte unverzichtbare
Partner sind, positiv hervorgehoben wurden. Das eine geht aber nicht ohne das andere! Die
Fanprojektarbeit ist transparent, wirksam und wird kontinuierlich evaluiert. Alle der KOS
vorliegenden Unterlagen belegen, dass dies in hohem Maße gewährleistet ist.
Fanprojekte sind auf das Vertrauen in ihre Arbeit und die Akzeptanz und Unterstützung des
Netzwerks angewiesen. Das zeigt aktuell der Prozess in Karlsruhe, wo drei hochgeschätzte
Kolleginnen vor Gericht stehen, weil sie die Arbeitsgrundlage aller Fanprojekte sowie die integralen Aspekte der Sozialen Arbeit schützen. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich bei den Kommunen, Verbänden und Bundesländern für das entgegengebrachte Vertrauen, in allererster Linie aber bei den Fans. Dieses Vertrauen ist unabdingbar, damit unsere engagierten Kolleginnen ihre Arbeit weiter mit
dem gleichen Erfolg ausführen können.
Fanprojekte brauchen eine stabile Finanzierung
Durch die in den letzten Jahren gestiegenen Kosten und neuen Herausforderungen im
Arbeitsfeld stoßen aktuell eine Vielzahl (ca. 50 %) der Fanprojekte personell und finanziell an
ihre Belastungsgrenzen. Die Geldgeberinnen und Netzwerkpartnerinnen sind sich dessen
bewusst und suchen gemeinsam nach Lösungen. Die KOS ist dankbar, dass DFB und DFL im
Nachgang des Spitzengesprächs deutlich gemacht haben, dass die Förderung der Fanprojekte
für sie weiterhin einen zentralen Baustein in der Präventionsarbeit darstellt, um für ein sicheres
sowie fanfreundliches Stadionerlebnis zu sorgen.
DFB und DFL haben den Innenpolitiker*innen eine Erhöhung der finanziellen
Fanprojektförderung angeboten. Wir hoffen, dass Kommunen und Bundesländer auf dieses
Angebot eingehen. Sie stehen, da die Arbeit der Fanprojekte in der öffentlich-rechtlichen
Jugendhilfe verankert ist, in der Hauptverantwortung. Es ist für die Öffentliche Hand ein
attraktives Finanzierungsmodell, da jeder investierte öffentlich-rechtliche Euro durch DFB und
DFL verdoppelt wird.
Momentan sehen die Förderrichtlinien von DFB und DFL eine Begrenzung ihrer Förderung von
Fanprojekten vor. Wir halten es für notwendig und würden es sehr begrüßen, wenn diese
Höchstgrenze aufgehoben wird und die Standorte, an denen Kommunen und Bundesländer
bereits höher fördern, vom Fußball die entsprechende Unterstützung erfahren.
Die auf dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit beruhende Arbeit der Fanprojekte hat sich
zu einem europaweiten Vorzeigemodell entwickelt. Sie trägt nicht nur zu sicheren Fußballspielen
bei, sondern unterstützt Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem Engagement für eine offene
und vielfältige Fankultur und für eine offene, demokratische und vielfältige Gesellschaft. Alle Beteiligten stehen in einer Verantwortungsgemeinschaft gegenüber dem deutschen
Vorzeigemodell der professionellen Fansozialarbeit und seinen jugendlichen Klient*innen, die
derzeit die größte Jugendkultur in Deutschland bilden. Der Zustrom junger Fans in die Fankurven
bleibt ungebrochen hoch, mit weiter steigender Tendenz. In diesem Sinne ist die weitere
Stärkung der Fanprojektarbeit nicht nur zeitgemäß, sondern angesichts der gesellschaftlichen
und politischen Entwicklungen unabdingbar.
Wir stehen für einen offenen Dialog bereit, um mögliche Fragen oder Bedenken im Sinne einer
gemeinsamen und effektiven Stärkung und Zukunftsgestaltung der Fanprojektarbeit zu
besprechen.
Koordinationsstelle Fanprojekte,
Frankfurt am Main, 25.10.2024